Autor*in CBK Online-Redaktion
Erschienen am: 27.10.24
Am Samstag, den 2. November 2024, veranstaltet die Stadt Eckernförde die „Lange Nacht der Literatur“. In einem besonderen Beitrag zeigt die Wilhelm-Lehmann-Gesellschaft von 18 bis 19 Uhr die Ergebnisse eines Projekts zum kreativen Schreiben.
Collage der 10b der Jungmannschule Eckernförde
Wo: Ottestr. 1 Schleswig-Holsteinisches Künstlerhaus, Eckernförde
Wann: 02.11.2024
Schülerinnen und Schüler der Klasse 10b bei der Workshop-Arbeit
Am 1. Oktober 2024 begab sich die Klasse 10b der Jungmannschule Eckernförde auf die Spuren von Wilhelm Lehmann. Begleitet wurde das von der Gesellschaft initiierte Projekt durch die Deutschlehrerin Anna Kaysser und die Kreisfachberaterin für Kulturelle Bildung in Rendsburg-Eckernförde, Renate Gaethke-Sander. Die Rundfunkjournalistin Daniela Herzberg hat den Workshop an der Schule durchgeführt und die entstandenen Texte aufgenommen, sodass sie auch als Hörtexte auf der Website der WLG in Kürze zur Verfügung stehen werden.
In der Veranstaltung im Künstlerhaus werden die Schülerinnen und Schüler der 10b der Jungmannschule eine Auswahl ihrer selbstgeschriebenen Texte vorstellen: Sie entstanden aus dem Experimentieren mit eigenen Schreibweisen vor dem Hintergrund von Lehmanns Texten zur „Natur“. Diese Thematik wird im weitesten Sinne unter den Aspekten von Ökologie, Landschaft, Umwelt, Klima u.a.m. behandelt.
Programm
"Wilhelm Lehmann hat Natur nicht von außen beschrieben, sondern ist in seiner Vorstellung mit dem Wind geflogen, hat Dramatik, Bewegung und Begegnungen in der Natur wahrgenommen und die Grenzen zwischen sich selbst und der Natur manchmal aufgelöst." (Moderationsteam des Workshops)
Gedichte aus dem Workshop "Kreatives Schreiben" der Klasse 10b der Jungmann-Schule Eckernförde
Milo Finn, "Montag"
Ich fühle mich hilflos und verloren
ich fühle mich kalt und vermodert
als würden Käfer und Ameisen an meinem Inneren nagen.
Ich lag an diesem Tag hilflos und kalt auf dem Boden.
Noch hatte das Schicksaal getroffen.
Ein Teil von mir war abgebrochen.
Du warst abgebrochen.
Ich vermisste diese Zeit, die Zeit bevor mich das Schicksaal traf.
Als ich mit dir im Wind tanzte und im Baume saß.
Nun lag ich auf dem kalten Boden der Tatsachen
und meine einst scheinende Krone war weg.
Du warst weg.
Ich lag die folgenden Monate einsam und allein im Dreck.
Bis jemand kam, der half mir weg, raus aus der Trauer und dem einsamen Dreck.
Nun stieg ich empor und meine Krone war wieder da
nun blühten meine Blüten wieder ganz klar.
"Manche Worte beschreiben Pflanzen oder Naturphänomene, z.B. rau, weich, leicht, schwer, lebendig, starr. Dieselben Worte beschreiben auch Zustände und Gefühle in unserem Leben, zum Beispiel Leblosigkeit und Starre, wenn eine Liebe endet oder der Druck in der Schule zu groß wird." (Moderationsteam des Workshops)
Jolina Haas, "Der Alltag"
Jeden Tag fühlen sich meine Adern leblos an,
was drin fließt, ich weiß es nicht.
Es fühlt sich leer und lustlos an,
die Zeit geht nicht vorüber.
Ich sitze am Schreibtisch
mache Hausaufgaben und lerne
mein Kopf arbeitet ununterbrochen
jedoch ist mein Körper leer.
Ich gehe raus,
spazieren mit meinem Hund
wir toben, spielen und haben Spaß
doch noch immer fühle ich mit etwas leer.
Erst abends,
wenn der Tag vorüber ist
wenn ich mit meinen Liebsten kuschel,
bin ich wieder ich.
Bennet Willi Max Howorek, "Schulstress"
Die Wochen vor den Herbstferien,
sie sind so lang,
sie sind so anstrengend.
Arbeit folgt auf Arbeit,
Man lernt den ganzen Tag.
Man fühlt sich leblos, wie ein totes Blatt.
Die Tage scheinen endlos,
als würden sie nie vorüber gehen.
Man fühlt sich müde,
doch kommt nie zur Ruhe,
wie ein Blatt, dass immer wieder vom Wind davon getragen wird.
Je länger die Zeit bis zu den Ferien ist,
desto mehr fühlt es sich an,
als würde man wie ein Blatt vertrocknen und langsam Stück für Stück zerbröseln und vermodern.
(Vgl. Audioaufnahme)
"Auch in unseren Texten gab es Gespräche, z.B. zwischen Blatt und Baum, Regentropfen und Pfützen, herabfallenden Samen und einem Spaziergänger, und auch für uns war die Bewegung in der Natur wichtig, zum Beispiel in einem Gedicht über das Schwimmen. Andere haben im Workshop auch an Gedichten weitergearbeitet, die sie von zuhause mitgebracht hatten." (Moderationsteam des Workshops)
Nico Reimers, "Des Stockes Abenteuer"
Hallo Zweig, von wem warst du mal ein Teil?
Du lagst ja ganz allein dort, war das denn dein Schicksaal?
Der Regen gab dir Moos, es ist noch ganz grün und heil.
Warum hast du keine Blätter, warst du denn schon früher so kahl?
Lass mich dich ansehen,
zeig mir deine Herkunft
Du liegst während die anderen Bäume stehen.
Erzähl mir deine Geschichte und bring meine Neugier zur Vernunft.
Hallo Mensch, ich war Teil von einem Baum.
Ich lieg hier schon sehr lange,
doch nun kommt mein Abenteuer wieder in Gange.
Ich fühlte mich allein, eingeschlossen in einen Raum.
Nun bring mich weit weg von diesem Ort.
Lass mich mein Abenteuer leben,
Ich möchte andere Orte sehen.
Nun bring mich weit von hier fort.
(Vgl. Audioaufnahme)
Julius Helbig, "DER WINTER AM SEE"
Während ich meinen Atem anhielt sprang ich in das kalte Wasser. Ich pustete während ich auftauchte die Luft aus meinen Lungen und fühlte den Druck von meinen kräftigen Armzügen und trat dabei das kühle Nass weg. Ich tauchte auf und fühle die Luft wieder in meine Lunge und meinen Hals strömen. Direkt unter der Wasseroberfläche fange ich an mit den Beinen zu strampeln. Ich schwimme zurück, diesmal aber mit kraftvollen, einzelnen Schwüngen. Ich drücke das schwere Wasser mit meinen Armen nach hinten um mich durch das Wasser zu ziehen. Dann kurz Pause. Meine Atemfrequenz ist sehr hoch, doch mein Herzschlag ist stetig langsam. Ich hole noch einmal tief Luft, stoße mich vom Steg ab und tauche quer durch den See. Ich sehe schon das Ende doch meine Brust ist gegen meine Lunge gepresst und ich habe kaum noch Luft. Ich tauche am Ende auf und atme tief ein. Geschafft! Ich klettere auf den anderen Steg und lege mich flach hin. Die kalte Luft kühlt mich ab und ist angenehm auf meiner Haut.
Jon Wurm und Raphael Lüsebrink, "Gespräch zwischen Regentropfen und Pfütze"
Regentropfen: Eben hing ich noch an einem Ast, nun fliege ich hinunter. Ich fühle mich schwerelos und habe den Überblick über die Welt, zumindest fühlt es sich so an. Die Sonnenstrahlen fallen auf mich und brechen sich in mir, während hinter mir ein Regenbogen entsteht.
Pfütze: Ich lieg hier unten trostlos auf der Erde und alle sammeln sich in mir. Durch sie werde ich größer und stärker. Alle liefern sich am Himmel ein Rennen, wer von ihnen mich wohl schneller erreicht.
Regentropfen: Ich bin der Schnellste und Reinste, doch will ich noch nicht landen. Dieses Gefühl der Freiheit begleitet mich, aber so schnell wie es kam wird es auch wieder gehen. Bist du der Himmel in dem alle Frieden finden oder bist du vielleicht eher die Hölle in der ich trostlos ende? Ich möchte fliegen, fliegen wie die Vögel, und nicht mehr landen.
Pfütze: Für ihn bin ich die Hölle, doch für mich ist er ein Segen. Er will noch nicht, doch die Zeit ist nun gekommen. Sie fliegen immer weiter und weiter an den hölzernen Geschöpfen vorbei, alle fliegen sie hier und am Ende macht es ,,platsch“ und er landet in mir.
(Vgl. Audioaufnahme)
Mathis Kröger, "Widrigkeiten" (2024)
Fast wär's mir als hätt' ich einen Laut vernommen,
hier unter dem großen alten Baum.
Zwei kleine grüne Samen fliegen durch die Luft,
kaum vom Baum herabgefallen.
"He du!", sagt der erste. Ich schau nach oben empor:
"Was gibt's?"
"Ach und Weh, kaum verlassen wir die Krone,
so tritt uns auch schon jemand nieder!"
"Aber aber!", antworte ich: "So war das nicht gedacht,
und außerdem, tut's euch doch eigentlich nicht weh,
wo ihr nur Kern und Pflanze seid?"
Die Samen schweigen.
"Na gut, sei's drum, ich werd' mich weiter
auf den Weg machen."
Doch wieder sprechen die Samen zu mir,
diesmal der zweite: "Wenngleich du auch größer bist,
so haben wir doch das gleiche Recht.
Hinfort! So lass uns auf den Boden fallen!"
Verwundert gehe ich zur Seite,
die Stimme verhallt im Regen.
Ich bin drauf getreten.
(Vgl. Audioaufnahme)
Ariane Breuss, "Mein Raum"
Mein Raum hat keine Ecken,
Er schwebt durch Zeit und Raum Hoch oben bei den Wolken
Wie ein sicherer Brutbaum.
Ich kann ihn verändern
Immer meinem Anspruch nach Zur zeit in vielen Gewändern
Je nachdem woran ich zerbrach.
Meinen Raum sieht nur die Einsicht Auch nur mit Hilfe des Verständnisses. Und in Abwesenheit des Willen Kannst du bleiben wo du bist.
Hier kann ich sein was ich will: Als Böses Monster oder still bekannte Heldin oder Loser Bescheiden oder Poser.
Ob in Trauer oder Einsamkeit Voll Hoffnung oder Scham Hier lebt nur die Sicherheit Die dieser Ort bekam.
Denn ich bin hier wenn ich Hilfe brauche, In Not und ganz allein.
Dann klettre ich die Leiter hoch
Und keiner kommt hinein.
Ariane Breuss, "Wo alles Gute endet"
Die Stumpfheit die regiert die Welt. Für Frechheit ist man nun ein Held.
Mit Feigheit gewinnt man heute Wahlen Für Klarheit muss man doch was zahlen...
Die Wahrheit welkt in Redensmassen Die Qualität wurde verlassen.
Die Bosheit, Blödheit, Grobheit stärker
Und Weisheit, Wachheit Falschheit’s Werker.
Die Coolness macht den Herrn zum Kaiser, Der Kompetenz die Stimme heiser.
Wo Anstand eines Tages herrschte, wo Gutes gegen Böses siegte
Wird Ehrlichkeit mit links zerdrückt und plötzlich spielt ein jeder verrückt.
Dort wuchern jetzt die Wüsten der Tugend, Allein schon „diese loser Jugend!“
Während die Menschlichkeit ihre Arbeit schmeißt, Werden einige Menschen so vereist,
Dass sie gar nicht mehr geben,
Dass sie gar nicht mehr lieben
Dass sie gar nicht mehr fühlen Sondern nur noch versieben.
Denn eines wird sich niemals ändern,
Eines wütend in allen Ländern:
Das Ungeheuer der Traurigkeit
Verhilft auch dem allerletzten in die Hoffnungslosigkeit. Nur eine schnelle Wende
und es naht des Herzens Ende.
Dabei bleibt der Motor der Neugier aus, Da tritt die Wut die Liebe hinaus.
Dann bleibt das Rad der Zuversicht Einfach stehen.
Ich kann das nicht.
Mitwirkende
- Klasse 10b der Jungmannschule Eckernförde Wir, die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10B, laden herzlich zu unserer Lesung auf der Langen Nacht der Literatur Eckernförde ein. Am 2. November um 18 Uhr präsentieren wir unsere selbst geschriebenen lyrischen Texte im Künstlerhaus in der Ottestraße. Die Naturgedichte sind in einem Workshop der Wilhelm-Lehmann-Gesellschaft zum kreativen Nature Writing mit der Autorin Daniela Herzberg entstanden. Einen Tag lang haben wir mithilfe von Naturgegenständen unserer Kreativität im Schreiben freien Lauf gelassen, unsere Texte gelesen, aufgenommen und überarbeitet sowie Collagen erstellt. Mehr lesen
Mit freundlicher Unterstützung