Preisträger:in 2020 Nora Bossong

Preisträger:in 2020 Nora Bossong

Biographie


2020 Nora Bossong

geb. 1982 in Bremen, studierte literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sowie Kulturwissenschaft, Philosophie und Komparatistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie trat früh als Lyrikerin hervor (Reglose Jagd, 2007) und erhielt 2012 den Peter-Huchel-Preis für den Gedichtband Sommer vor den Mauern. Es folgten Romane (Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 36,9 Grad) und Reportagen (Rotlicht) sowie 2018 mit dem Band Kreuzzug mit Hund wieder Gedichte und 2019 mit dem Roman Schutzzone ihr bislang erfolgreichstes Buch.

„In ihren Romanen hat Nora Bossong das politische und engagierte Schreiben auf zeitgemäße Weise fortgesetzt. Ihre Bücher sind kritisch, aber niemals pädagogisch. In ihrem neuen Roman Schutzzone (Suhrkamp 2019) setzt Nora Bossong die Unübersichtlichkeit politischer Strukturen der Gegenwart in einen faszinierenden, komplex gearbeiteten Text um. Am Beispiel ihrer Protagonistin Mira Weidner, die als Mitarbeiterin der Vereinten Nationen an Krisenherden der Welt operiert, stellt Bossong in kunstvoller Sprache die großen Fragen nach Menschlichkeit, Verantwortung und dem Sinn vermeintlich karitativen Handelns. Auf mehreren Zeitebenen zeigt Bossong den globalisierten Menschen im Zwischenraum von Macht und Einsamkeit." 

(Auszug aus der Begründung der Jury für den Wilhelm-Lehmann-Preis 2020)

Neben dem Wilhelm-Lehmann-Preis wurden Nora Bossong 2020 auch der Thomas-Mann-Preis und der Joseph-Breitbach-Preis zuerkannt. Sie lebt in Berlin.

„[…] Ich zweifle, ob Bücher Kriege verhindern, auch wenn sie uns, wie der Roman Lehmanns [Der Überläufer], die sinnlosen Schrecken, die unwirtliche todgebärende Kulisse des Krieges so eindringlich vor Augen führen. Ich zweifle, ob die Kultur uns per se zu etwas moralisch Besserem macht – zu viele Gegenbeispiele wären zu nennen.

Was Literatur aber kann, ist, uns eine Erinnerung wach zu halten, uns ein Bewusstsein für eine Lebensrealität zu schaffen, die nicht unsere ist und ja doch unsere sein könnte, wären nur ein paar Dinge in unserem Leben anders verlaufen, das Jahr oder der Ort unserer Geburt zum Beispiel, eine Erinnerung an etwas, das einhundert Jahre oder eintausend Kilometer entfernt liegt. Was Literatur kann, ist, uns mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass wir den Frieden nur vortäuschen und allzu oft den Krieg, der nicht in unsere Kinderzimmer hineinreicht, gleichgültig hinnehmen. Wie lange dauert Erinnerung? So lange, wie jemand davon spricht. So lange, wie etwas noch zur Sprache gebracht wird. So lange, wie es in unserer Vorstellung Platz erhält. Als Ermutigung, unbequeme Erinnerungen weiter zur Sprache zu bringen, sehe ich den Lehmann-Preis, für den ich Ihnen sehr danken möchte.“

(Nora Bossong bei der Entgegennahme des Wilhelm-Lehmann-Preises am 3. Oktober 2020 in Eckernförde)